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Kosmos

Lange Zeit galt der gestirnte Himmel als Garant für eine luzide, vollendet regelhafte und überschaubare kosmische Harmonie, bis diese theologisch inspirierte Ordnung schließlich mit der Philosophie und Naturwissenschaft der Renaissance in ihrer aristotelisch geschlossenen Statik von einem Sog des Unbegrenzten und Unendlichen dynamisiert wurde: Leistet doch gerade das unauszählbare stellare Universum zumal bei Nicolaus Cusanus und Giordano Bruno dem Entwurf eines mittelpunktslosen Alls Vorschub. In der Formel des "omnia ubique", des "Alles ist überall", drückt sich diese Dezentrierung am nachhaltigsten aus. Es gibt nicht mehr den einzigartigen, vor allen anderen ausgezeichneten erd- oder sonnenhaften Mittelpunkt. Stattdessen wird jeder Ort des Universums zum Mittelpunkt und damit zu einem Zentrum, das sich infolge der Universalität des Mittelpunkts als Zentrum aufhebt. Kein Wunder, dass ein Philosoph wie Hegel in der Streuung der Sterne die Anarchie des Zufalls diagnostizierte, die sich jeder Zentralinstanz verweigert.

Diesem Aspekt des Mittelpunktslosen und Zufälligen öffnet sich die Malerei der Moderne. Von nun an sind ihre Strukturen nicht mehr ohne ihre chaotischen Anteile zu begreifen. Malerei lässt ein, was in der Chaosforschung der Regie des "seltsamen Attraktors" zufällt: Einem Grenzbegriff, der deutlich macht, dass sogenannte chaotische Systeme alles andere als rein chaotisch sind. In Wahrheit veranschaulichen die Muster im Phasenraum unberechenbarer Systeme, dass etwa bestimmte Strukturen immer wieder durchlaufen werden, ohne sich exakt zu gleichen. Ordnung im Chaos als Wahrscheinlichkeitsverteilung der Ereignisse im extremen Minimum also: Ihr sind zahlreiche Konzepte der Malerei der Gegenwart und der Neuen Musik verpflichtet, etwa John Cages Atlas Eclipticalis (Johannes Bauer, Paramusik. John Cages "Atlas Eclipticalis").

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