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STRUKTUR     BILD     STRUKTUR

Pompeji    Prometheus    Panorama

Wechselspiele von Bild und Struktur

Pompeji

​Pompeji - ein Motiv aus dem Formenkreis der Entropie, deren Schauspiel an den Wänden so mancher pompejanischen Villa zu beobachten ist, ein Schauspiel der Auflösung, des Verfalls und der allmählichen Verwandlung antiker Bildfriese in bildlos rätselhafte Tableaus. Diesen Erosionsprozess der Geschichte greifen die vorliegenden Pompeji-Arbeiten auf und beschleunigen ihn zuweilen, indem sie die Bildwelt römischer Lebenswirklichkeit in die Ordnung abstrakter Strukturen übergehen lassen. So komprimiert sich in der reziproken Spiegelung von bildhaften Figurationen und bildfernen Formationen, von Antike und Gegenwart also, die Zeitkluft von 2000 Jahren zum Augenblick einer Gegenwart des Vergangenen, aber auch einer Vergangenheit des Gegenwärtigen. Und wie sich an den Wänden Pompejis eine Schwebe zwischen dem Jetzt und dem Einst zeigt, zwischen der Gegenwart und einer Antike, deren Bildspur keineswegs völlig verlischt, sondern allein schon im unverwechselbaren pompejanischen Kolorit präsent bleibt, so versuchen die hier vorgestellten Pompeji-Variationen etwas von der Aura einer gewiss verklärten Antike zu bewahren, die in uns aufgeklärt nüchternen Repräsentanten einer planetarischen Arbeitsethik und Funktionalitätsdoktrin etwas Verlorenes zum Schwingen bringt: neben der Nostalgie und der Wehmut über die eigene Hinfälligkeit auch das neuerdings auffällig oft beschworene "Carpe diem" aus Horaz´ epikuräischer Ode als Ahnung eines Lebens, das freier wäre als das bekannte und das der Antike und das doch nahezu unvorstellbar geworden ist. Damit werden die Fresken Pompejis, auferstanden aus der Asche des Vesuvs, selbst noch im Verblassen ihrer Szenerien und gerade in ihrer Transformation durch die Malerei der Gegenwart zu einem Memento mori et vivere und zu einer visuellen Paraphrase von Schillers Pompeji- Maxime, "Nichts ist verloren, getreu hat es die Erde bewahrt".

Prometheus

​Im Unterschied zum Pompeji-Zyklus erzeugen in der Prometheus-Serie Strukturen des Aufflammens, des Brennens und Glühens, des Verlöschens und Erkaltens den Assoziationsbereich "Feuer" und dessen prometheische Spur. Keine wie auch immer personifizierte Gestalt des Zivilisationsheros und Feuerbringers Prometheus, sondern die Farbregie von Strukturen veranschaulicht in dieser Bildserie die Verlaufsform von Ressourcen, etwa der Ressource Leben und ihrer affektiven Triebkräfte: Vom Lodern des Elan vital bis hin zum Ausbrennen der Lebensenergie in Alter, Erschöpfung und Tod.

Panorama

​Panorama - eine Folge von Arbeiten, die zum Teil mit historisierenden Stilanleihen das Wechselspiel zwischen strukturellen Formationen und Naturbildern variieren und in Titeln wie "Struktur in Grau/Landschaft" oder "Maritime Struktur" präzisieren.

Naturdarstellung hat in meiner Malerei deshalb weniger mit abbildhafter Nachahmung zu tun als mit der energetischen Spannung zwischen Ordnung und Chaos, mit den Kräften des Zufälligen und Asymmetrischen und deren untergründiger Stabilität, folglich mit einer künstlerischen Parallele zur wissenschaftlich gefärbten Naturerfahrung der Moderne. Dass die Welt der Statistik und die der Neuen Naturwissenschaft stets auch mit Wahrscheinlichkeitswerten arbeitet und ein Umdenken von Prozessen verlangt, die vormals dem blinden Ereignis zugeschlagen wurden: Solche Bewusstseinskonditionen zeitigen im Zug der wissenschaftlichen Episteme des 19. und 20. Jahrhunderts auch ihre ästhetischen Entsprechungen. Denn, so Benoit Mandelbrots Fraktale Geometrie der Natur: "Wolken sind keine Kugeln, Berge keine Kegel, Küstenlinien keine Kreise. Die Rinde ist nicht glatt - und auch der Blitz bahnt sich seinen Weg nicht gerade".

(Zum Thema Naturerfahrung in Kompositionen der Gegenwart vgl. Johannes Bauer, Neue Musik und Naturwissenschaft sowie Johannes Bauer, Wie wäre heute noch Natur zu komponieren?)

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