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Schrift 2 (Judaica)

Keine Kultur hat eine intensivere Bindung zwischen Schrift und Schöpfung entwickelt, ja Alphabet und Schrift mit einer kreativeren Potenz belehnt als die jüdische. Unter diesem Aspekt verstehen sich die hier vorgestellten Arbeiten als Paraphrasen zu Motiven der Schöpfungsvision des Sefer Jezira, des "chochmath ha-zeruf" des Abraham Abulafia oder der theosophischen Spekulation des Schabbetai Donnolo im Sefer Chakmoni (10. Jahrhundert), aus dem ein Zitat den kabbalistischen Schöpfungsentwurf in einer seiner Varianten beleuchten mag:

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„In den zweitausend Jahren, die der Erschaffung der Welt vorausgingen, vergnügte sich der Heilige - gebenedeit sei er! - mit der Lehre von den Buchstaben. Er fügte sie zusammen, ließ sie kreisen, vereinte sie in einem einzigen Satz, drehte sie alle zwanzig vor und zurück; setzte sie in ganzen, halben, Drittelsätzen zusammen. Er stellte die Sätze auf den Kopf, verband sie, trennte sie, veränderte sie in den Buchstaben wie auch in der vokalischen Punktation. Zählte ihre Zahl, um sie zu vervollständigen. Das war das Werk des Heiligen - gebenedeit sei er! -, als er beschloss, mit seinem Wort die Welt zu erschaffen, mit seinem großen und schrecklichen Namen.“

 

Dass im Fall der kabbalistischen Theologie Schöpfung, Grammatik und konsonantische Alphabetdynamik einander aufs Engste verbunden sind, wird für eine Malerei der Schrift zur Herausforderung. Sie greift den theologischen Entwurf auf, um ihn im Bild in einer Art Balance zu halten: in der Balance zwischen ästhetischer Faszination und parabelhaftem Glaubensmythos.

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Judaica, Schriftmalerei © Johannes Bauer, Epitaph/Mazewa (1) (2017), 37,5 x 45,3 cm, Acryl auf Kunststofffolie
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